Gemeinsame Studie der Universität St. Gallen und der TU Dresden

Das Erstarken rechtspopulistischer und rechtsextremer Bewegungen hat erhebliche Folgen für den deutschen und europäischen Wirtschaftsstandort. Die Industrie- und Handelskammern (IHK) sowie die Handwerkskammern beobachten diese Entwicklung mit Sorge, da ihren Mitgliedern durch europakritische, protektionistische und gesellschaftspolitisch-reaktionäre Bestrebungen erhebliche Wettbewerbsnachteile drohen.

“Trotz dieser negativen Auswirkungen zögern viele Kammern, sich deutlich gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus zu positionieren und gemeinsam mit anderen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteuren Partnerschaften für Demokratie, Weltoffenheit und Vielfalt einzugehen”, erklärt Prof. Markus Scholz, Inhaber der Professur für Betriebswirtschaft, insbes. Responsible Management am Internationalen Hochschulinstitut (IHI) Zittau, eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung der TU Dresden. “Dies ist umso bemerkenswerter, da sich zahrlreiche Kammern von ihren Unternehmensmitgliedern durchaus zu einem Engagement ermutigt fühlen und ihre Mitglieder beim Eintreten für demokratische Grundwerte bestärken”, ergänzt Scholz.

Um der Zurückhaltung auf den Grund zu gehen, befragten Prof. Scholz sowie Prof. Thomas Beschorner und Prof. Andreas Hermann von der Universität St. Gallen im April und Mai 2024 im Rahmen einer bundesweit angelegten Studie die insgesamt 79 IHK sowie 53 Handwerkskammern in Deutschland mittels eines Fragebogens zum Thema Rechtsextremismus. Die Vollerhebung ergab als mögliche Ursache der Zurückhaltung der Kammern ihr politisches Neutralitätsgebot, das politischen Aussagen über Wirtschaftsbelange hinaus enge Grenzen setzt. “Das Gebot der politischen Neutralität, wofür ich bestens Verständnis habe, darf jedoch nicht so weit gehen, dass man gegenüber Angriffen auf Demokratie und Rechtstaatlichkeit schweigt. Diese hohen Güter können nicht nur von den etablierten Parteien und den Bürgern, sondern müssen auch von der Wirtschaft verteidigt werden”, sagt Prof. Andreas Hermann.

In ihren aus der Studie abgeleiteten Handlungsempfehlungen schlagen die Autoren daher vor, die regulatorischen Bedingungen der Kammern zu prüfen. “Wir regen als konkrete Maßnahme ein Rechtsgutachten an, das die Frage nach den Grenzen der politischen Neutralität von Kammern im Falle des Engagments für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung eingehender beleuchtet. Unter welchen Bedingungen sind Kammern legitimiert, sich für Freiheit und Demokratie einzusetzen? Welche Formen von Verlautbarungen und welche Maßnahmen sind dafür aus einer rechtlichen Sicht statthaft?”, fragt Prof. Beschorner, Leiter und Ansprechpartner der Studie.

Die Studie “Willens, aber zögerlich. Eine empirische Studie zu Positionen der Kammern in Deutschland zum Thema Rechtsextremismus” finden Sie hier:
https://www.alexandria.unisg.ch/server/api/core/bitstreams/760e77c6-a432-4092-8454-002d34862435/content

 

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