Was heißt für euch “schön”, was “Wirklichkeit”? Könntet ihr euch vorstellen, ausschließlich in einer virtuellen Welt zu leben? Worin unterscheiden sich die beiden Welten oder gehören sie schon immer zusammen, existiert überhaupt nur eine Wirklichkeit? Was bedeutet das Träumen in diesem Zusammenhang? Diesen Fragen stellte sich Minou Köhler (Klasse 10, Neues Gymnasium Wilhelmshaven), im Rahmen der PhilosophieArena 2022. Lesen Sie hier den von der Jury prämierten Text.

Die virtuelle Welt. Eine Welt, die uns nun schon länger begleitet. Angefangen hat es mit dem Handy und inzwischen ist es sogar schon möglich mithilfe, von VR-Brillen, in die virtuelle Welt selber einzutauchen. Doch wäre es wirklich schöner, die Realität hinter sich zu lassen und sich komplett der virtuellen Welt zu widmen, in der die menschlichen Fähigkeiten überschritten werden und träumen nicht existiert?

Die virtuelle Welt ähnelt der Wirklichkeit vom Aussehen her, nur dass nichts der Wirklichkeit entspricht und das unmöglich möglich ist. Orte, die in der realen Welt schwer erreichbar oder unerreichbar sind, können in der virtuellen Welt ohne Probleme erreicht werden. Denn anders als bei Computerspielen, in denen man zwar auch virtuell aktiv ist, kann man in der virtuellen Welt selber agieren und ein Teil von ihr sein. So kann man zum Beispiel, in 3D, durch den menschlichen Körper reisen, sich das Universum und deren Planeten genauer anschauen, Architekten können ihre Planungen leichter entwerfen und visualisieren und sich so einen langen Planungszeitraum ersparen. Lerninhalte können besser vermittelt werden, weil man sich durch die aktive Teilnahme den Stoff besser merken kann. Das sind nur einige von den vielen Möglichkeiten, die uns durch die virtuelle Welt ermöglicht werden.

Dennoch bin ich der Meinung, dass die virtuelle Welt nicht schöner als die Wirklichkeit ist, denn in der Wirklichkeit entspricht alles seinem natürlichen Ursprung. Es gibt keine Fantasie, Lebewesen oder Orte, denn diese kreieren wir in unseren Köpfen. Durch das Träumen. In der Wirklichkeit haben wir unendlichen Raum fürs Träumen. Unserer Vorstellungskraft sind an Kreativität keine Grenzen gesetzt, sodass alles möglich ist, auch, wenn manche dieser Träume vielleicht unrealistisch und unerreichbar wirken, aber dafür sind Träume da und deshalb heißt es auch Träumen. Man träumt von dem, was man gerne wahrhaben möchte. Ich finde, dass Träume sehr wichtig sind und als Motivation genutzt werden können, Ziele zu erreichen.

In der virtuellen Welt gibt es keinen Platz fürs träumen, weil alles von dem man träumen mag, bereits existiert oder möglich gemacht werden kann. Hat man den Traum wohlhabend zu sein, kann man die Fähigkeiten, die einem in der virtuellen Welt zur Verfügung stehen, nutzen und sich seinen Traum erfüllen. Macht träumen in so einer Welt dann überhaupt Sinn? Hat man dann überhaupt noch Lust zu träumen, wenn einem bewusst ist, dass man sich alles erfüllen kann?

In der Wirklichkeit hat man Höhen und Tiefen und erlebt wie hart die Realität sein kann. Man muss wichtige Entscheidungen treffen, die entscheidend für das weitere Leben sein können und hat man sich entschieden kann man es nicht wieder rückgängig machen. Für seine Ziele muss man hart arbeiten, um sie zu erreichen und die Zeit nutzen, die einem zur Verfügung steht. Denn man hat nur ein Leben und das muss man nutzen.

In der virtuellen Welt schwindet der Sinn des Lebens, denn einen richtigen Lebensablauf gibt es dort nicht. Wenn du als Ziel hast wohlhabend zu sein, wirst du es, ohne den langen Weg dorthin zu gehen, Opfer zu bringen und Zeit zu investieren. Doch das Gefühl ist nicht das gleiche. Hast du hart dafür gearbeitet, um so leben zu können? Macht es Spaß, so das Leben zu leben? Nein. Alles selber beeinflussen zu können ist zwar ein tolles Gefühl, aber ein erfülltes Leben kann unglücklich und einsam machen. Gesteuert von dem berauschenden Gefühl alles zu können, kann man sich selber verlieren, den Unterschied zur Realität, weil man als Teil ihrer vergisst, dass all dies nicht echt ist und den Wert des einmaligen Lebens. Ich denke auch das die Wirklichkeit und die virtuelle Welt sich im Punkt des Zusammenlebens unterscheiden. In der Wirklichkeit kommen wir mit echten Menschen in Kontakt, pflegen unsere zwischenmenschlichen Beziehungen und verbessern unsere Kommunikationen, was sehr wichtig für den Verlauf unseres Lebens ist und uns selbst, weil wir daran wachsen und stärker werden.

In der virtuellen Welt dagegen bist du alleine. Kontakt mit anderen Menschen gibt es nicht, weil du alleine agierst, ohne jegliche Hilfe. Ob du auf andere Lebewesen trifft? Mag sein, doch sie sind nicht echt. Langsam vergisst man den Umgang mit anderen Menschen und wie es ist, mit ihnen zu leben und echte Gespräch zu führen, da die Menschen, die einem in der virtuellen Welt begegnen kein menschliches Denken besitzen. Menschlicher Kontakt wird einem fremd, die menschlichen Fähigkeiten schwinden und nach und nach vergisst man, was es heißt Mensch zu sein. Deshalb ist menschlicher Kontakt sowohl physisch als auch verbal so wichtig für uns Menschen, um nicht in Einsamkeit zu versinken und unseren Verstand sowie die Vernunft zu verlieren. Verschwinden Vernunft und Verstand in der virtuellen Welt, so zweifelt man an der Gewissheit, alles sei nicht real.

Ist diese Welt wirklich schöner als die Welt, die du hinter dir gelassen hast? Alles mag zwar schöner aussehen, weil auf einmal Ding existieren, die es in der Wirklichkeit nicht gibt, doch vorgetäuschte Schönheit täuscht und hat nichts Schönes an sich, wenn man weiß, dass es nur durch Einfluss entstehen konnte. Anders als die natürliche Schönheit. Wenn ich etwas Schönes sehe, dass ich noch nie zuvor gesehen habe, frag ich mich, wie so etwas ohne jeglichen Einfluss, aus der Natur heraus entstehen konnte. Ich bin mir bewusst, dass ich nie in der Lage wäre sowas zu erschaffen und bin einfach nur erstaunt. Will man dieses Gefühl wirklich nie mehr erleben können?

Zudem mag es ja sein, dass du alles in der virtuellen Welt machen kannst, aber dich um dich kümmern musst du selbst. Doch wie soll das gehen, wenn es nur virtuelles Essen gibt? Wie sollst du dich verpflegen, wenn du nichts spürst? Wie dich weiterentwickeln, wenn du jeder Schwierigkeiten aus dem Weg gehen kannst? Wie kannst du glücklich sein, ohne jegliche Mitmenschen? Wie ist das Überleben möglich in der virtuellen Welt oder ist es überhaupt möglich?

Ich möchte in einer Welt leben, in der man neues entdecken und erleben kann. In der man nie weiß, was als nächstes passiert und ein Gefühl der Aufregung hat. In der man mit Menschen, die einem nahestehen, zusammenleben und mit ihnen wachsen kann. In der es Naturwunder gibt, die ein Mensch niemals hätte erschaffen können. In der das Schicksal seinen Lauf hat und man nie weiß, wo es einen als Nächstes hinbringt. In der man seine Träume verwirklichen und am Ende stolz sein kann, sie durch harte Arbeit erreicht zu haben.

Ob es schöner wäre in der virtuellen Welt statt in der Wirklichkeit zu leben? Ich sage nein.

 

Ähnliche Beiträge

Jun 5th – 7th, 2024 Hosted by ICDE Institutional Member Globethics at the Campus Biotech in Geneva,...

Welchen Beitrag leisten Akteure des Gesundheitswesens schon heute? Best practice Beispiele auf dem...

Mensch und/oder Maschine “Der Mensch als Maschine – die Maschine als Mensch?” (Deutscher Ethikrat)...

Hinterlassen Sie eine Antwort