Die Debatte um die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen – kurz CSR – ist nicht neu, befindet sich jedoch seit geraumer Zeit im Wandel. Der Ukraine-Krieg hat eine Frage in den Fokus gerückt, die auch außerhalb dieses Konfliktes relevant ist: Wie verhalten sich Unternehmen in Kriegszeiten? Und aus wirtschaftsethischer Sicht vor allem die Frage: Wie sollen oder sollten sich Unternehmen in politischen Fragen verhalten? Kurz: Wie beschreiben wir die Corporate Political Responsibility? Zu diesem Thema haben wir 5 Fragen an … Dr. Christoph Golbeck

 

(1) Wo beginnt für Sie “politisches Engagement von Unternehmen” und an welche Beispiele denken Sie?

Dr. Christoph Golbeck: Das politische Engagement von Unternehmer*innen beginnt für mich als Familienunternehmer in zweiter Generation bei der Verantwortungsübernahme im eigenen Haus. Wo der Gedanke eines Stakeholder Values ernst genommen wird, ist das eigene Verständnis “richtiger” Betriebsführung zugleich eine politische Willensäußerung der Gesellschafter*innen. Diese Eigendefinition von CPR baut auf dem Begriff der Integrität auf. Nur wo ich als Arbeitgeber und Inhaber mit gutem Beispiel voran gehe, darf ich auch mit gutem Gewissen von meinen Kolleg*innen, wie ich unsere Mitarbeiter*innen im Alltag gerne gegenüber Dritten benenne, ein ähnliches Verhalten entsprechend unserer Unternehmenswerte erwarten. Beispiele sind Korruptionsvermeidung oder das betriebsinterne Lohngefüge – nur wo die Strukturen eines Unternehmens frei sind von jeglichem Verdacht auf Vorteilsnahme und Freundschaftsdienste, kann eine vorbildliche Art von Betriebsführung auch positiv auf Gesellschaft und politische Entscheidungsprozesse auf allen föderalen Ebenen wirken, genauso wie eine “ethisch fragwürdige” Lohnspreizung innerhalb einzelner Unternehmen weniger als Vorbild für sozialpolitische Diskussionen geeignet sein dürfte als, sagen wir, genossenschaftlich verfasste Betriebe.

 

(2) Wie ist es aus Ihrer Sicht um die Legitimität des politischen Engagements von Unternehmen bestellt? Was ist angemessen und was nicht?

Dr. Christoph Golbeck: Wo die Idee einer integren Betriebskultur im eingangs beschriebenen Verständnis das Fundament unternehmerischen Handelns bildet, ist die Legitimität des politischen Engagements von Unternehmen uneingeschränkt gegeben. Darauf aufbauend erwarte ich als Inhaberunternehmer und Politikwissenschaftler ein Mindestmaß an politischem Engagement von Unternehmen. Hier denke ich insbesondere an deren Gesellschafter*innen und / oder Führungskräfte. Im Vergleich zu den Anfangsjahren der Bundesrepublik ist diese Idee von CPR in meiner Wahrnehmung in Degeneration begriffen, mit weitreichenden Konsequenzen für die politische Willensbildung in unserer Gesellschaft. Fakt ist: Unternehmerinnen und Unternehmer, die häufig als Menschen mit Macht und Einfluss wahrgenommen werden, dienen in hohem Maß als Vorbilder und Projektionsflächen für die Wünsche und Ideen vieler Bürger*innen. Daher ist es nur billig und ausgesprochen angemessen, wenn diese Multiplikator*innen sowohl als natürliche wie auch in ihren Rollen als juristische Personen in verstärktem Maß politisch engagiert sind.

 

(3) Welche Grenzen hat politisches Engagement von Unternehmen und wann kann es auch gefährlich und schädlich sein?

Dr. Christoph Golbeck: Ausgehend von meiner —vielleicht ausgesprochen idealisierten— Idee integrer Unternehmensführung kann CPR für die politische Willensbildung nie schädlich sein. Werden jedoch die skizzierten Werte und ggf. sogar legal-rechtlich normierte Prinzipien guter Unternehmensführung verletzt, verstärken sich entsprechend der definierten Vorbildfunktion von Unternehmer*innen deren negativen Auswirkungen.

 

(4) Welche internen Strukturen (Corporate Governance) und welche Expertise benötigen Unternehmen, um gute politische Entscheidungen zu treffen?

Dr. Christoph Golbeck: Je größer Unternehmen werden, ausgehend vom inhabergeführten Unternehmen mit nur wenigen Mitarbeiter*innen bis hin zu multinationalen Konzernen, müssen die Strukturen für gute CPR quasi immer mitwachsen – von der Familienverfassung über den CoC bis hin zu Kodizes oder Gesetzen.

 

(5) Worin sehen Sie Chancen und für welche Themen wünschen Sie sich mehr politisches Engagement von Unternehmen?

Dr. Christoph Golbeck: Im Sinne des dargestellten Verständnisses ernst genommener CPR, das nie ohne flankierende Prinzipien intrinsisch motivierter CSR umzusetzen ist und in einem erweiterten Verständnis auch nicht ohne sozialpolitisch flankierende Regulierungen auskommt, besteht deren außerordentliche gesellschaftliche Chance darin, durch vorbildliches Verhalten von Corporate Citizens den zunehmenden Populismus und die politische Apathie wachsender Bevölkerungsgruppen einzuhegen. Dabei steht in einem Stakeholder-Verständnis vor allem das politische Engagement der Eigentümer*innen und Entscheidungsträger*innen in Unternehmen im Vordergrund, getreu der Formel: You need to be the change you like to see in the world (frei nach Kofi Annan).

 

Corporate Political Responsibility – 5 Fragen an… ist eine Interviewreihe des DNWE. Sie zeichnet sich besonders durch die Pluralität unserer Expert_innen aus. Die gesamte Reihe veröffentlichen wir fortlaufend im Dossier.

 

 

 

 

 

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